Gestern war ich zum ersten Mal in der Uni bei einer praktischen Übung zum russischen Schreiben, wo ich auch vorgestellt wurde und dann hat die Lehrerin wie in der Grundschule Zettel mit nem Lückentext ausgeteilt. Den sollten wir dann in unser Heft abschreiben und die Lücken ausfüllen und Kommas richtig setzen. Aber das ist genau das Richtige für mich, denn ich wusste nur ungefähr die Hälfte, also kann ich da ja viel neue Lexik lernen! In der 5-minütigen Pause, die es übrigens in jeder Uni-Veranstaltung nach 45 Minuten gibt, haben sich sogar einige Russinnen gleich mit mir unterhalten, obwohl mir vorausgesagt wurde, dass die erstmal schüchtern mir gegenüber sein werden.
Es ist irgendwie unheimlich, denn die russischen Studenten müssen immer sofort ganz ehrfurchtsvoll aufstehen, wenn der Dozent hereinkommt. Da war ich überrascht, naja, einfach alles nachmachen! :-)
Danach hatte ich meine erste Vorlesung "Geschichte russischer Literatur bis 20. Jahrhundert". Das war vielleicht anstrengend!!!! Ich habe so gut wie nichts verstanden, also fing ich einfach an, alles das, was ich verstehen konnte, auf Deutsch aufzuschreiben. So konnte ich wenigstens ein bisschen folgen. Aber in der Pause habe ich mich getraut und bin zur Professorin gegangen und habe mich vorgestellt und sie gefragt, ob es ok ist, dass ich in ihrer Vorlesung sitze. Naja, dann hat sie mich noch in eine Liste für das dazugehörige Seminar eingetragen, aber begeistert war sie nicht.
Die russische Freundlichkeit lässt allgemein ziemlich viele Wünsche offen. Aber ich bemühe mich weiterhin, überall bitte und danke zu sagen und manchmal bekomme ich sogar einen erstaunten Blick oder gar eine freundliche Antwort!!! :-)
Ich stand dann am Stundenplan (ja, sowas gibt es hier, schon vorgefertigt für die Studis, nicht wie bei uns), als mich plötzlich ohne Vorwarnung jemand umarmte. Es war Maya, das Mädchen, bei der Stefan und ich im Sommer in Ufa für 3 Wochen gewohnt haben!!! Wir freuten uns erstmal eine Runde und dann erklärte sie mir, die ganze Familie inklusive Kater Vasja und Hund Fenja würden schon seit Tagen auf mich warten und ich müsse jetzt unbedingt mit zu ihr nach hause kommen! Das konnte ich nicht ausschlagen und so stiegen wir in den Bus, der uns über 1 Stunde (!!!) ans andere Ende der Stadt in den Stadtteil Tshernikovka fuhr. Auf dem Weg nach hause hat mich Maya dann noch einmal quer durch das kleine Einkaufszentrum (welches ihre Mutti leitet, aber schon nicht mehr auf Arbeit war) gezogen, um Lebensmittel für den Abend einzukaufen. Dann sind wir bei Maya zu hause angekommen (auf dem Weg dorthin hat sie noch ihren Vater angerufen und die verhängnisvolle Frage gestellt: "Папа, ты купиш водку?" (Papa, kaufst du Wodka?)) und es herrschte große Begeisterung, dass ich da war. Maya hat Pelmeni gekocht und einen Salat gemacht und dann gab es einen Wodka nach dem anderen. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie das Glas immer wieder voll war. Und ich hatte bereits einen langen Tag hinter mir, denn wir waren um halb 7 aufgestanden, um zum AIDS-Test zu gehen. Wir waren dann ziemlich schnell alle sehr lustig und Mayas Papa Oleg hat versucht Deutsch von mir zu lernen. Dann kam noch ein Kumpel von Maya und so gegen 23.30 Uhr, als ich nicht mehr gerade laufen konnte, brachten mich die beiden nach unten zum Taxi. Ich habe dann, weil mich der Wodka auf russisch redselig gemacht hatte, ein Gespräch mit dem Taxifahrer angefangen, weil ich mir beim Schweigen zu doof vorkam. Gottseidank hat er mich ziemlich schnell nach hause gebracht und so kam ich dann 10 vor 12 hier wieder an und habe noch schön mit Stefan und meinen Eltern telefoniert. Es war also tatsächlich ein Erlebnis der 3. Art, wie man mich ins weit entfernte Tshernikovka entführte und mich dann abfüllte! :-)
Naja, aber meinem Russisch hat es natürlich sehr gut getan!
Heute bin ich dann mit ganz leichten Kopfschmerzen aufgestanden, aber habe meinen Tag trotzdem genossen. Die Sonne schien und die Luft hat geglitzert. Total schön! Ich bin in die Uni gefahren und hatte ein gutes und ein nicht so gutes Erlebnis. Die erste Vorlesung war suuuuuuper! Ich habe fast alles verstanden, die Dozentin war total liebenswürdig und hat zwar hyperschnell, aber sehr sehr deutlich und klar geredet. Außerdem war das Thema interessant. Da habe ich wieder ein bisschen Mut gefasst und mir gedacht: "Also, es geht auch anders!" Dannach bin ich zu diesem Seminar gegangen, wofür mich die Professorin gestern eingetragen hat. Ich saß da drin und es haben mich schon alle komisch angeschaut, dann kam eine andere Lehrerin, die übliche Aufstehprozedur, dann sagte sie: "Habt ihr den Text gelesen?" (Ich dachte mir: Welchen Text?) "Na schön, dann schreiben wir jetzt einen Test darüber." (Aaaaah! Um Gottes Willen! Welcome back to school oder was?) Ich bekam fürchterliche Angst, dass das jetzt jede Woche so gehen würde, also sagte ich meiner Banknachbarin, dass ich wohl aus Versehen im falschen Kurs gelandet bin. Dann bin ich geflohen! Ich glaube nicht, dass mich irgendjemand erschlägt, wenn ich dieses eine Seminar nicht besuche. Aus meinem schlechten Gewissen heraus habe ich mir dann am Stundenplan noch den Fortsetzungskurs zum Lückentext-Kurs für morgen früh aufgebrummt, der bringt mir sprachlich sowieso mehr.

Auf dem Weg zum Bus habe ich dann diesen hübschen Hauseingang gesehen und musste ihn gleich fotografieren! Jetzt sitzen wir noch alle zusammen in der Küche und dann gehe ich bald ins Bett, um morgen fit zu sein, damit ich um 10.15 Uhr wieder Lücken ausfüllen kann. :-)