Drama der Woche!

Am Montag ist endlich mein Paket angekommen. Das habe ich von Julia erfahren, da meine Eltern das Paket ja vor knapp 6 Wochen (!!!) losgeschickt haben, als ich noch bei Julia, Tobi, Franzi und Roman gewohnt habe. So kam bei deren Adresse am Montag ein Zettel an, auf dem stand, dass ich mein Paket in der Hauptpost abholen kann. Die Glückssträhne fing bereits damit an, dass Tobi zufällig am Briefkasten vorbeiging und der Zettel nur noch an einer Ecke heraushing. Es hätte also ein Windstoß gereicht und der Zettel wäre weg gewesen. Dann hätte ich mein Paket wahrscheinlich auch in 12 Wochen noch nicht gehabt.... :-) Glück gehabt.

Ich habe mich dann gestern mit dem ausgefüllten Zettel, meinem Pass und Trekkingrucksack auf den Weg zur Hauptpost in der Uliza Lenina gemacht. Im Bus starrten mich natürlich wieder alle Leute an, weil man doch nicht einfach mit einem großen Rucksack durch die Gegend fahren kann! Das könnte ja ein Tourist sein....!!!! Als ich endlich auf der Post ankam, bin ich auch instinktiv gleich zum richtigen Schalter gelaufen (sehr ungewöhnlich für das Postamt hier, dass man mal nicht noch zu drei anderen Schaltern weitergeschickt wird) und die Frau, die mir mein Paket aushändigte, war sogar sehr nett und hilfsbereit (noch ungewöhnlicher für die Angestellten im Postamt, wie es meine bisherigen Erfahrungen in diesem ...entschuldigung... "Saftladen"  gezeigt haben) und sie verlangte plötzlich von mir, dass ich das Paket öffne und gab mir eine Schere. Ich dachte: "Was ist denn jetzt los? Kommt jetzt noch ne Drogenkontrolle, oder was? Wofür hat denn dann das Paket ungefähr 4 Wochen beim russischen Zoll rumgelegen, bevor sie es mal geschafft haben, es hierher nach Ufa zu transportieren???" Aber das Paket war nicht geöffnet worden, alles noch ordentlich zusammengelegt und es fehlte nichts. Und GENAU DAS wollte die Frau eigentlich auch nur wissen und dafür auf dem Zettel meine Unterschrift haben, dass mit dem Paket alles in Ordnung sei! :-) 

Ich habe mich dann, freudig, dass ich endlich meine Sommersachen usw. habe, zur Seite gestellt und die Hälfte des Inhaltes in meinen Trekkingrucksack gepackt, als nächstes Irek (den Freund von Aliya, der Taxifahrer ist) angerufen und mich dann vorm Postamt auf den Fußweg gestellt, um zu warten. Ich hatte auch noch meine Handtasche mit, in der ich mein Portemonnaie griffbereit hielt, um schnell an Geld zu kommen, damit ich ihm dann etwas bezahlen kann, auch wenn es sozusagen ein freundschaftlicher Dienst war. Er hat ja immerhin seine Mittagspause für mich geopfert, denn er fährt normalerweise nur abends Taxi. Als er kam, fasste ich nochmal prüfenderweise in die Tasche, ob die Gelbörse noch da war und setzte meinen Rucksack mit einem kräftigen Schwung (er war immerhin ca. 12 kg schwer) auf, nahm das Paket, überquerte die Straße und lud mit ihm gemeinsam den ganzen Kram ins Auto. Ich fasste in meine Tasche und das Portemonnaie war WEG!!!!!!!! Panik!! Das alles hatte sich innerhalb von ca. eins bis zwei Minuten abgespielt. Ich rannte sofort zurück zu der Stelle, an der ich gestanden hatte, doch das Portemonnaie war weg, einfach WEG!!!! Ich fragte noch die zwei Frauen, die die ganze Zeit auch dort gestanden hatten, doch sie hatten es auch nicht gesehen. OH MEIN GOTT! Mir liefen sofort die Tränen und mir ging alles durch den Kopf, was drin gewesen war: meine beiden Visakarten, mein Personalausweis, mein deutscher Führerschein, mein Ufa-Studentenausweis, meine zweite Simkarte und Gottseidank nur 135 Rubel (3,45 €). Dann saß ich bei Irek im Taxi und er versuchte mich zu beruhigen, sagte mir allerdings, dass ich nicht wirklich darauf hoffen brauch, dass es jemand findet und dann zurückgibt. Also spielte sich schon das ganze Szenario in meinem Kopf ab: Visakarten sofort sperren lassen, neue beantragen, neuen Personalausweis beantragen (Gottseidank war mein Pass noch da, der ist viel wichtiger, zumal da mein Visum drin ist), Führerschein neu beantragen usw. Ich kam zu hause an und konnte mich gar nicht über mein Paket freuen. Allerdings hatte ich mich bis dahin schon wieder beruhigt und rief meine Mutti an, damit sie die Visakarten sperren lässt. Ungefähr 10 Minuten nach diesem Gespräch rief mich Irek an, dass er einen Anruf von einem Mann hatte, der seinen Namen und offensichtlich seine Telefonnummer wusste und fragte, wer Maren Tilsner sei. Ich verstand Irek kaum, denn er nuschelt sehr und am Telefon ist es für mich ohne Mimik und Gestik ohnehin sehr schwer, Russisch zu verstehen. Jedenfalls hatte Irek dem Mann meine Telefonnummer gegeben und er rief mich an und meinte, er hätte mein Portemonnaie gefunden!!!!! Yipppeeeeeeeeee! Ich machte einen Luftsprung und wir verabredeten uns für in einer halben Stunde auf dem Zentralmarkt. Ich nahm also mein EC-Karte und rannte wie angestochen zur nächsten Bank, um dort 1000 Rubel (25 €) abzuheben. Denn ich musste ja irgendwie Busfahren und hatte kein Geld. Natürlich kam, wie das in Russland immer so schön üblich ist, nur ein einzelner 1000-Rubel-Schein aus dem Automaten, den dann in keinem Geschäft irgendjemand annehmen will, geschweige denn im Bus! Also musste ich mich anstellen und das Geld wechseln lassen. Die Oma vor mir fing dann noch an, mit der Bankangestellten übers Wetter zu quatschen, also dachte ich mir: "Jetzt ist es Zeit für ein bisschen russische Unfreundlichkeit!" und klopfte an die Tür mit den Worten: "Schneller!!!". Die Oma kam heraus, schaute mich böse an und dann war ich an der Reihe und ließ mir mein Geld wechseln. Das ist scheinbar die Sprache, die hier verstanden wird. Ich glaube, ich war bisher viel zu lieb!

Von der Bank zur Bushaltestelle gerannt, verdammt, nur noch 20 Minuten! Ich war dann nach 25 Minuten am Zentralmarkt und wollte den Mann anrufen, da war mein Guthaben leer! Natürlich! Ich hatte ja meine Mutti in Deutschland angerufen! Also noch in drei verschiedene Handyläden, um einen Automaten zu finden. Im dritten lief ich dann geradeaus zum Automaten und wurde erstmal weggeschubst, weil ich nicht gesehen hatte, dass vor mir noch ein alter langsamer Mann dran zu sein schien. Ich dachte mir: "Noch mal die richtige Gelegenheit für russische Unfreundlichkeit!" und sagte: "Also, entschuldigen  Sie mal, aber ich habe gerade mein komplettes Portemonnaie verloren, inklusive Visakarten. Ich muss jetzt dringend telefonieren!!!" Sofort half mir die Dame beim Geldaufladen und ich dachte mir: "Jawoll! Das scheint tatsächlich zu funktionieren, wenn man sich einfach mal ein bisschen wichtig macht!"

Wieder draußen, rief ich den Mann an und er kam dann auch innerhalb von 5 Minuten zu der Stelle, wo ich stand und gab mir mein Portemonnaie!!!!!!!!!! Es war alles noch drin, außer natürlich das Geld! Er sagte, er hätte es bei einem Mülleimer in einer Nebenstraße und ohne Geld gefunden... ;-) Naja, wer auch immer die lächerlichen 135 Rubel rausgenommen hat, das ist ja von vornherein klar gewesen! Er sah jedenfalls sehr sehr ärmlich aus, mit dreckigen, kaputten Klamotten, schiefen, verfaulten Zähnen und er stank. Ich war aber sooo dankbar, dass er so ehrlich war, sogar meine Telefonnumer herausbekommen UND 35 Minuten auf mich gewartet hatte, dass ich ihm 400 Rubel (10 €) Finderlohn gab, worüber er sich sichtlich gefreut hat! Froh und absolut geschafft von der Rennerei stieg ich in den nächsten Bus, rief Aliya an, dass alles wieder in Ordnung sei und fuhr nach Hause, wo ich dann nach einer kleinen Verschnaufpause erstmal mit großer Freude mein lang ersehntes 20kg-Paket auspackte und mich über jedes einzelne Sommer-T-shirt und die leckeren Süßigkeiten, sowie einen pinken Regenschirm (DANKE, MUTTI!) freute! Jetzt muss ich nur noch meine Visakarten wieder neu beantragen! Freude! ... :-)

Abends, als Irek kam, meinte er: "Na, Maren? Alles wieder in Ordnung?" 

Aliya: "Ja, sie hat ihr Portemonnaie zurück!" 

Irek: "Für wieviel?" 

Aliya: "400 Rubel." 

Irek: "Nicht schlecht."

(Typische Gespräche in russischen Küchen....)

Und wir waren alle heilfroh, dass es so glimpflich ausgegangen war!