Donnerstag, 6. Mai 2010

Ein unvergessliches Mai-Wochenende...Teil 2

In der Nacht vom Sonntag zum Montag habe ich dann mit Julia, Roman und Antoaneta zu viert in einem Zelt geschlafen, was wirklich geholfen hat, einigermaßen warm zu bleiben, jedoch stand unser Zelt mit etwas Gefälle, sodass ich immer wieder nach unten gerutscht bin und somit mit den Füßen im Schlafsack die Zeltwand berührt habe, wodurch ich EISFÜßE hatte!!!!!! Um halb 10 bin ich dann aufgestanden, Roma war schon dabei, das Feuer wieder zu beleben und nach 10 Minuten Bewegung war ich komplett warm!!! Yippee! Die Sonne schien. Es hatte nur am Tag vorher und ganz früh am Morgen kurz 5 Minuten geregnet. Ansonsten hatten wir wirklich Glück mit dem Wetter! Und das war die Aussicht, wenn man aus dem Zelt stolperte und 5m nach links ging:
 Ich wagte den steilen Weg nach unten zum Fluss, um das schmutzige Geschirr vom Abend abzuwaschen. Es kamen alte Paddeltour-Gefühle auf bei dem Versuch, fettige Teller, Schüsseln und Tassen mit kaltem Flusswasser zu reinigen. Da hilft auch das beste Spülmittel nur sehr wenig... :-)
Wir kochten uns Suppe mit Kartoffeln, Möhren und für die Non-Vegetarier Dosenfleisch (mhm...lecker....Gottseidank merkt man es an der frischen Luft nicht so...) und saßen dann noch ein bisschen in der Sonne, wobei Ramil eine Shisha vorbereitete. Ich kann damit nicht wirklich viel anfangen, habe probiert, aber es hat trotzdem Spaß gemacht, unser kleines Abenteuer so bei gemütlichem Beisammensein ausklingen zu lassen.... Dachten wir! Denn jetzt fing das Abenteuer erst richtig an! Um 16 Uhr, nachdem wir uns noch ein paar Nudeln als Wegzehrung für die Elektritschka gekocht hatten, machten wir uns mit Gottseidank nur noch halbvollen Rucksäcken auf den Weg zur Bahnstation. Wir hatten geplant, mit dem 16.45 Uhr Zug von Aigir zurück nach Inser zu fahren, um dort wieder in die Elektritschka nach Ufa umzusteigen. So wären wir abends etwa gegen 23 Uhr zu Hause angekommen. Dieser Zug fährt nur zweimal am Tag: Einmal morgens gegen 5 Uhr und nachmittags um dreiviertel 5.
 
Als wir jedoch aus dem Wald kamen, hatte man von weitem schon eine Aussicht auf die Haltestelle bzw. den Mini-Bahnhof und wir sahen zunächst mit Gelächter und ohne Ernsthaftigkeit, dass es dort schon mächtig voll war! Ich schätze, es standen dort ungefähr 150 Menschen, dreckig, verschwitzt, lustig, Oberkörper frei, Gitarre in der Hand, Rucksäcke auf Haufen, betrunken, rauchend, singend, lachend in der plötzlich glühenden Sonne! Ich kam mir vor wie auf einem Woodstock-Festival!
Sie waren alle Camper vom ersten Maiwochenende und ratet mal, was ihr Ziel war: Sie wollten alle nach Hause! Und ich schätze, der Großteil davon nach Ufa! Schön, dass wir uns am Tag zuvor noch gefreut hatten, dass alle einen Tag eher gekommen waren als wir! Das hinderte sie aber nicht daran, am selben Tag wie wir nach Hause zu wollen! Wir nahmen es ersteinmal mit Humor, legten unsere Rucksäcke ab und warteten...in der Überzeugung, dass "die Bahn" (wer auch immer diese Institution in Russland sein mag...ich glaube nun nicht mehr daran!) mit Sicherheit MEHR ALS NUR EINEN WAGON schicken würde, da sie ja "wissen, dass so viele Menschen heute nach Hause wollen!" Wie auch immer ich oder irgendein anderer auf diesen Gedanken gekommen ist, ist mir bis heute unklar! Pünktlich 25 Minuten zu spät kam GENAU EIN WAGON!!!! Wir dachten erst, das soll ein Witz sein und da kommt noch was, also blieben wir erstmal ruhig, setzten unsere Rucksäcke auf und liefen hin.... Aber es war purer Ernst. Das wurde mir bewusst, als die ersten Menschen zum Zug rannten, um hineinzukommen und sich einen Platz (Stehplatz, versteht sich von selbst) zu sichern!

Die Leute haben gedrängelt, geschubst und sich in diesen Wagon gequetscht! Bald wurden innen die Tische hochgeklappt, sie saßen zusammengefaltet auf den Gepäckablagen, von außen sah man nur noch Arme und Beine an die Fenster gequetscht. Und jeder hatte natürlich noch einen riesigen Trekkingrucksack mit dabei! So etwas habe ich noch nie erlebt! Und es ging dabei nicht um eine Sache des Wartens auf den nächsten Zug in 20 Minuten wie in der gewohnten deutschen Bequemlichkeit ..... Neeeeiiiin!!!! Hier ging es um Leben und Tod! Ich versuchte ruhig zu bleiben mit den Gedanken, dass wir ja noch die Nudeln hatten, notfalls ein neues Lager aufschlagen und Wasser aus dem Fluss abkochen könnten. Nur meine sieben Freunde sahen das nicht ganz so relaxt, da sie alle am Dienstagmorgen auf Arbeit oder zum Studium mussten! Dienstag ist ja mein freier Tag. Die einzige Sorge, die ich hatte, war die, dass das Guthaben auf meinem Handy sowie auch der Empfang mich im Stich gelassen hatten und ich somit erahnte, dass meine Eltern sich fürchterliche Sorgen machen würden, wenn es bis zum Abend kein Lebenszeichen von mir gäbe. Es kam dann irgendwann der Zeitpunkt, als wir zwar noch anstanden, um in den Zug zu kommen, es allerdings schon gar nicht mehr wollten, da es drinnen nach Erstickungstod aussah. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich bei diesen Massen keine Panikattacke bekommen hätte. Wir gingen also zur Seite und beobachteten fassungslos das Geschehen. Drinnen schienen die Menschen wirklich keine Luft zu bekommen und so schlugen sie ganz hinten, wo das Fenster nicht zu öffnen ging, die Scheibe ein! Auch von außen randalierten einige wild gewordene Typen und versuchten mit aller Gewalt, die Türen zu öffnen. Wir konnten nicht glauben, was wir sahen! Es war einfach unfassbar! Aber bekommt bitte nicht das Bild, dass das hier in Russland so üblich ist!!!: auch unsere russischen Freunde Ramil, Lena, Roman und Rail meinten, das sei nicht normal und so etwas hätten sie noch nie erlebt! Wir haben es jedenfalls nicht mehr geschafft, hineinzukommen, da wir ja 8 Leute waren und auch zusammenbleiben wollten. Es war jedoch Wahnsinn, mit anzusehen, wieviele Leute sich letztendlich doch noch hineindrängelten, nachdem die Schaffnerin schon gefühlte 50 Mal gesagt hatte, dass jetzt Schluss sei und die Tür versuchte zu schließen. Das alles hatte nun bereits etwa 30 Minuten gedauert und nun begannen die übrig gebliebenen Russen mit dem Lokführer zu verhandeln. Einige setzten sich sogar aus Protest auf die Gleise und verlangten, dass man noch einen Zug schickte. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir Angst und Bange, denn der Motor hatte schon gestartet und die Mutigen saßen immer noch ca. 3 Meter vor dem Zug!
Als der Zug losfuhr, standen sie endlich auf und es blieben ca. 30 bis 40 Leute zurück, von denen einige zu Fuß losmarschierten, wo auch immer hin, mit ihren riesigen Rucksaäcken und ohne genauen Plan, wie sie nach Hause kommen würden. Wir entschieden uns auf den 21Uhr-Zug nach Belorezk zu warten, was zwar in der falschen Richtung lag, aber von dort aus würde um 23.04 Uhr ein Nachtzug nach Ufa fahren. Ich betete, dass wir ihn schafften, allerdings hätte es auch um 00.30 dort noch einen Nachtbus gegeben. Also ein guter Plan! Wir setzten uns ins Gras ein wenig abseits von der Bahnstation und holten unsere Isomatten und etwas Essen heraus. Ein paar andere Russen kamen vorbei und fragten, was wir denn nun vorhätten. Als sie mitbekamen, dass die Hälfte von uns Ausländer waren, setzten sie sich sofort mit ihrer Gitarre zu uns und fragten uns viele Sachen!!! Es war wieder äußerst interessant, solche neuen Leute kennenzulernen und mit ihnen zu quatschen, auch wenn ich  gegenüber Fremden immer eine russische Sprachbarriere habe... Es war jedenfalls ein sehr lustiger Abend und so erschien das Warten auch gar nicht so lang!

 
Dieser Zug nach Belorezk kam natürlich auch 20 Minuten zu spät, so dass wir dort dann nur noch knappe 10 Minuten zum Tickets kaufen (und die müssen ja persönlich auf jeden einzeln mit Namen ausgestellt werden), Essen und Trinken besorgen und einsteigen hatten. Puuuh! Geschafft! Hier gab es auch kurz Handyempfang, so dass ich dann von Antoanetas Handy eine Sms schreiben konnte! Wir haben dann noch ein Weilchen im Zug gesessen und ein paar Nudeln gegessen, was getrunken und erzählt, um uns von diesen abenteuerlichen Strapazen etwas zu beruhigen, bevor wir uns dann für 5 Stunden ohne Matratzen und Bettzeug (da wir eigentlich nur Sitzplätze hatten) auf die Liegen legten, um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen. Um 5.30 Uhr morgens kamen wir dann völlig erschöpft, aber auch froh in Ufa an, als es bereits hell wurde und haben dann aufgrund der wenigen Busse um die Uhrzeit noch ca. 1 1/2 Stunden gebraucht, bis wir zu Hause ankamen. Kurze gegenseitige Zeckenkontrolle, dann bin ich von Franzi, Julia und Roman zu mir gelaufen, wo ich noch Aliya traf, die sich gerade auf den Weg zur Arbeit machte und mich fragte, ob wir ein schönes Wochenende hatten. Ich schilderte die Situation kurz, sagte dann gute Nacht und schlief von 8.30Uhr bis 13 Uhr mittags durch. Hier ein kurzer Eindruck auf der Karte, wo wir waren. 
Der Maßstab ist 1 : 250 0000
Im Nachhinein sehe ich es als ein wunderschönes Wochenende voller Natur, neuer Entdeckungen, lehrreicher und interessanter Gespräche mit neuen Leuten, Musik, Beisammensein, Schaschlik, Feuer, ein bisschen Wodka und Musik und mit einem wahnsinnigen Abenteuer am Ende, was mir wohl immer in Erinnerung bleiben wird!!!!

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