Montag, 24. Mai 2010

Mayas Geburtstagswochenende auf der Datsche

Meine russische Freundin Maya, bei der Stefan und ich letzten Sommer während des Austausches gewohnt haben, hat mich letztes Wochenende zu ihrem Geburtstag auf die "Datsche" ihrer Eltern ins ca. 100km entfernte Dorf "Krasny Klutsh" eingeladen! Es sollte ursprünglich Freitag früh losgehen, dann rief sie mich Donnerstag an und bat mich, Freitag Mittag gegen 13 Uhr zu ihr zu kommen. Typisch russisch eben. Als ich ankam...in Tschernikovka...am anderen Ende der Stadt...gratulierte ich Maya erstmal zum Geburtstag und es gab erstmal ein paar Pjelmeni und ein Glas Sekt zum Anstoßen. Dann bereiteten wir das Schaschlik für den Abend im Garten vor. Bulat, ein guter Freund von Maya legte es in einer, wie sich später herausstellte, herrlichen Marinade ein und presste dann einen Deckel darauf. Als er meinen ungläubigen Blick sah, meinte er mit einem breiten Grinsen und russischem Akzent: "Russian Technology!" :-)
 








Gegen 17 Uhr trudelten dann so langsam Mayas andere Freunde ein, ein paar Jungs gingen noch ins Geschäft, um frische Lebensmittel zu kaufen und dann ging es 18 Uhr zu zehnt in zwei kleinen LADAs los! Maya hatte mir vorher am Telefon gesagt, dass wir ca. 40 Minuten bis zur Datsche brauchen würden....Wir kamen, typisch russisch, grob über den Daumen gepeilt, nach 2 Stunden Fahrzeit an! :-) Es war herrlich, wieder mal aus der Stadt herauszukommen. Auf der Fahrt hatte ich schon die Natur beim aus dem Fenster Schauen genossen und jetzt waren wir da, im Dörfchen, das an der "Roten Quelle" liegt, die Quelle, wo das saubere und leckere "Красный ключ"-Wasser gewonnen, in Flaschen gefüllt und dann nach Ufa in die Supermärkte transportiert wird. Es ist das preisgünstigste Wasser hier und auch das einzige wohlschmeckende!

Zunächst aber musste das über 100 Jahre alte Holzhäuschen, welches Mayas Oma gekauft und dann an Mayas Eltern weitergegeben hatte, gesäubert werden, weil über den Winter niemand da gewesen war. Danach begannen die Jungs schon, das Schaschlik auf dem Grill zu braten und wir Mädchen schnippelten, wie es sich nach der russischen Geschlechter-Rollenverteilung gehört, das Gemüse für die Salate, als plötzlich jemand fragte: "Wo sind eigentlich die zwei großen Tüten mit der Wurst und dem Wodka?" Großes Chaos und hysterisches Geschrei brach aus. Während die Russen voller Angst vor einem nüchternen Geburtstagsabend die Autos und alle mitgebrachten Tüten durchsuchten, schnitt ich weiter die Gurken und stellte mich schonmal in aller Ruhe auf ein Orangensaft-Fest ein...ist doch auch schön!!! :-) So sahen das die Russen aber ganz und gar nicht und als uns wieder einfiel, dass man die zwei besagten Tüten nach dem Einkauf in Mayas Zimmer abgestellt hatte, um Platz im Flur zu machen, wurde uns alles klar...Es war nur das im Auto gelandet, was auch im Flur stand! Und so wurde mit der Begründung, dass man ja einen Geburtstag in Russland unmöglich ohne Wodka feiern kann und dass der kleine Dorfladen nur schlechten Wodka und keine Wurst und Brot verkaufte, ganz selbstverständlich entschieden, dass zwei der jungen Männer zurück zu Mayas Eltern fahren, um die wertvollen Party-Utensilien zu holen. Sie fuhren um 21 Uhr los!









Also schlossen wir die Datsche ab und machten einen wunderschönen Spaziergang bei Sonnenuntergang bis zur roten Quelle, wo...Überraschung (!) das Wasser türkisblau war! Warum man die Quelle rot nennt, weiß ich auch nicht!









Sie hat ihren Ursprung im Südural und gilt als die Quelle mit der zweitgrößten Durchlaufmenge in Europa (14,88 m³/sek) und die Wassertemperatur bleibt das ganze Jahr über bei +5°C. Man kann direkt aus dem Fluss bei dem Boot (rechts) trinken, was mir noch leckerer und sauberer als in der Flasche erschien und Mayas Freundin Katya sagte mir, wenn man sich mit dem Quellwasser das Gesicht benetzt, darf man sich etwas wünschen. :-) Ach, ich liebe sie einfach, diese vielen kleinen russischen Geschichtchen! Als wir jedenfalls gegen 23.30 Uhr wieder zurück zur Datsche kamen und es übrigens immer noch am Dämmern war (Es ist einfach der Wahnsinn, wie lange es jetzt hier hell ist und es ist noch nicht einmal Juni!), kamen auch die beiden Jungs Bulat und Rustik mit dem Wodka, der Wurst, dem Brot, der Mayonaise und dem Ketchup an! Ihr merkt schon, wir hatten irgendwie all das zu Hause gelassen, was ungesund ist!










Na, die Freude war jedenfalls groß und so begann um halb 12 abends das eigentliche Geburtstagsfest! Es wurden Toasts ohne Ende gesprochen, alle zu Ehren Mayas! Ich muss sagen, ich bin einfach supergerne mit ihr und ihren Freunden zusammen, weil sie so herzlich sind und mich voll und ganz akzeptieren und mir auch zuhören und mich etwas fragen, statt mich zu ignorieren, was ja einfacher wäre, da  es natürlich anstrengend ist, sich mit jemandem zu unterhalten, der der Sprache nicht ganz mächtig ist! Aber im Gegenteil, es hilft mir extrem, wenn ich mal alleine unter Russen bin und mir keiner helfen kann, sondern ich mich selbst ausdrücken muss! Da bin ich plötzlich zu fließenden Gesprächen auf Russisch fähig und schäme mich auch nicht für Fehler, die dadurch wiederum umso seltener passieren!










Wir hatten wirklich einen Heidenspaß und Mayas Kumpel Sagit, den Stefan und ich schon letzten Sommer kennengelernt hatten, spielte Gitarre und sang wie ein echter Rockstar! Mayas Freunde waren alle gut drauf und als ich mir gerade ein Stück Brot nahm, sagte Bulat zu mir: "Sag mal Maren, bist du zum Wodka trinken gekommen, oder zum Schnittchen essen?" Die Runde gröhlte vor Lachen und es folgten noch mehr dieser Sprüche! :-) Es dauerte allerdings nicht lang, bis mich die Müdigkeit von der Woche überfiel, bevor der Wodka überhaupt irgendwie seine Wirkung zeigen konnte! Kurz gesagt, ich trank 4 oder 5 Runden mit, war noch nicht einmal angeheitert, aber schlief vor Erschöpfung am Lagerfeuer ein, zu welchem wir von drinnen umgesiedelt waren. Und so ging ich gegen 3 Uhr nachts ins Bett! Die anderen legten sich um 4 Uhr und die drei letzten (Maya, ihr Freund Sasha und Sagit) um 7 Uhr morgens zur Ruhe! :-) Als ich gegen mittag wieder aufwachte, war natürlich noch alles am Schlafen und so setzte ich mich vors Häuschen auf die Holzbank in die Sonne! Als 2 Stunden später dann alle auferstanden waren, wurde erstmal in aller Ruhe das restliche Schaschlikfleisch als "Frühstück am Nachmittag" gegrillt und wieder baute Maya ein kleines meisterliches "Büffet" auf! Lecker!!!!! Mhm! Schon das dritte Mal richtiges Fleisch innerhalb von einer Woche! Große Freude auf meiner Seite!!!









Es war sehr warm, obwohl wir uns in den Bergen befanden, aber ich konnte tatsächlich in meiner kurzen Hose herumlaufen. Einige "knallten" sich in die Sonne und da ich weiß, dass mir das mit meiner hellen Haut nicht gut tut und mein Bauch furchtbar voll war und nach Bewegung schrie, entschied ich mich, mit Katya, Bulat und Sergej noch einen Spaziergang zu unternehmen!
Es war toll! Ich sah viele interessante Sachen. Bulat erklärte mir, dass der rote Stern an einem Wohnhaus bedeutet, dass dort ein Kriegsveteran wohnt. Sie stellten mir viele Fragen über Deutschland und zeitweise hatte ich auch das Gefühl, dass meine "Sprachbehinderung" gleichzeitig einen etwas dümmlichen Charakter vermittelte, als sie mir so viele Dinge erzählen oder erklären wollten, die ich doch aber schon weiß und auch verstehe!!! :-) Es war auf jeden Fall lieb gemeint und ich weiß selbst, wie schwer es ist, einen Ausländer mit Akzent für intelligent zu halten! Ganz besonders witzig ist es aber, dass die drei, die ja noch nie in Deutschland waren, doch recht festgesetzte und vorgefertigte Meinungen von Deutschland haben...nicht einmal die üblichen wie zum Beispiel Lederhosen, Bier und Oktoberfest, sondern solche, dass die deutsche Natur nicht so schön sei wie die russische, dass bei den Deutschen alles verboten sei und ihre Sprache hart und abgehackt klingt. Dabei unterscheidet sich meiner Meinung nach die russische Natur nicht  sehr stark von der deutschen, sondern in Russland ist es in der Natur einfach nur einsamer, weil auf der gesamten Fläche von 17.075.400 km² nur 142,4 Mio. Menschen leben (Bevölkerungsdichte: 9 Einwohner pro km²), während wir in Deutschland mit 357.111,91 km² und 81,835 Mio. Menschen eine Bevölkerungsdichte von 229 Einwohnern pro km² haben! Ist das nicht Wahnsinn??? Außerdem finde ich, dass in Russland viel zu viel erlaubt ist! Ich sah einen ca. 10-jährigen Jungen mit einem Moped durch die Gegend fahren und nach dem Zelten verbrennen alle Russen ihren Müll (darunter hochgiftige Plastikflaschen) im Lagerfeuer. Auf den Straßen gibt es im Winter keine Straßenmarkierungen, so dass jeder fährt, wie er will und die Kinder in der Wohnung über mir höre ich jeden Abend noch weit nach 23 Uhr herumtollen und spielen, obwohl sie am nächsten Tag in die Schule müssen! Ich genieße recht oft die Gelassenheit und Ruhe der Russen, aber mir fehlt trotzdem die deutsche Ordnung und Sauberkeit sowie ein paar mehr Regeln! Wir hatten jedenfalls ein paar sehr interessante Gespräche, kultureller Austausch sozusagen!







Eine Gartenmauer, die nur aus Limonaden- und Bierflaschen gemacht war! Und der Lada wirkt einfach wunderbar in diesem kleinen Dörfchen, dass sich scheinbar am Ende der Welt befindet! Gegen 7 Uhr abends machten wir uns erholt und fröhlich auf den Heimweg.
Als wir dann 2 Stunden später zurück nach Ufa kamen, dachte ich, ich würde jetzt mein Zeug nehmen und mich auf die 1-stündige Reise aus Tschernikovka zu mir nach Zeljonaya Rosha machen, aber falsch gedacht: Es wurde noch eine gewaltige Aftershow-Party bei Mayas Oma gefeiert, noch einmal Geburtstagsessen bei der Familie, wo ich sozusagen Special-Ehrengast zu sein schien! :-) Der Tisch war voll mit Manty (eins der ersten Gerichte, welches Stefan und ich letzten Sommer hier gegessen haben: ca. 10 cm große Teigtaschen gefüllt mit Fleisch, Kartoffeln und zerlaufener Butter, von denen ich ca. 9 Stück aß, nachdem Mayas Oma zu mir gesagt hatte: "Iss, Mädchen, Manty gibts nicht jeden Tag!"), Gemüse, Wein, Sekt, Kaviar-Schnittchen und natürlich Wodka! 
Es ist sooo toll, weil ich mich jetzt mit ihnen endlich richtig unterhalten kann und mir auch jeder zuhört, wenn ich mal was sage und ich nicht dauernd nach Worten suche, sondern es einfach klappt, wenn ich einmal im Flow bin. Maya und ihre Familie lieben mich und Fehler sind egal! Sie loben mich die ganze Zeit für mein Russisch…ich meine, ich weiß, dass sie übertreiben und ich noch viel lernen muss, aber sie geben mir damit ein unglaublich gutes Gefühl und Selbstbewusstsein!!! Ich bin jetzt endlich an einem Punkt angelangt, wo ich das erste Mal mit meinen Fortschritten richtig zufrieden bin und mich auch stolz fühle und richtig motiviert bin, es, so gut es geht, bis Ende Juli noch zu verbessern!
Was ich jedenfalls denke, ist, dass Maya, auch wenn sie sich selten meldet, eigentlich die ehrlichste und ernsthafteste und herzlichste Freundin ist, die ich hier habe! Sie ist die einzige, die mir wirklich interessiert zuhört, wenn ich über meine Gefühle spreche.  Und das habe ich ihr dann auch bei meinem allerersten selbstgesprochenen Toast auf Russisch gesagt! Ich bin stolz auf mich, denn ein russischer Toast, das ist nicht leicht, weil es spontan und von Herzen und mit guter Wortwahl kommen muss! :-)
Ein hervorragendes Wochenende!!!

4 Kommentare:

  1. Hallo Maren!Es freut uns,dass du so viele schöne Sachen unternimmst und du auch eine richtig gute Freundin kennengelernt hast.So etwas findet man heute nur noch selten.Gut,in Rußland haben die Menschen auch nicht so viel und sind auch noch auf die Hilfe von anderen angewiesen.Somit ist der Zusammenhalt auch stärker.Wir kennen das ja aus der DDR.Über die"DATSCHE"mußte ich aber doch sehr schmunzeln.Sie hat doch was sehr uriges.Jetzt dauert es doch nicht mehr lange und du kannst deinem Schatz bald um den Hals fallen.Das längste hats gedauert.Trotzdem wird dir auch hier der Abschied schwer fallen.Geniese noch die schöne Zeit.Liebe Grüsse Detlef und Kerstin

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  2. hihi....klingt so richtig russisch mit der oma...und gartulation zum ersten toast! das ist wirklich etwas besonderes!

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  3. Hi Maren, ich habe zufälling auf diese Seite gestossen. Na so was! Du warst in Ufa zur Austausch! Wo genau hast du dein Austasch-Studium gemacht? wahrscheinlich auf Uni, BGU, Fakultät für Romanistik- und Germaninstik auf Kommunistitscheskaja Str. 19, oder? Ich wurde in Ufa geboren und aufgewachsen und die oben genannte Fakultät abgeschlossen,aber schon etwas länger her. Ich habe dort Englisch und Deutsch und Literatur studiert. Nach dem Uni-Abschluss im 1992 bin ich nach Deutschland gekommen und bis 2007 dort gelebt (in der Nähe von Frankfurt am Main). Jetzt bin ich in England wegen meinem Partner, und ich muss sagen die deutsche Ordnung und Sauberkeit fehlen mir auch hier! Ja, Russland ist schon ein verrücktes Land, viele Sachen sind wirklich übermässig erlaubt. Ich sah mir deine Bilder an und ich hatte so ein tolles Gefühl, ich kenne ja fast alles was du fotografiert hast. Meine Eltern und Geschwisster leben alle in Ufa,übrigens nicht weit von "Zelionaja Roscha", und ich war dort zum Besuch zum letzten mal im Sommer 2006. Ich wollte einfach meine Gefühle aussprechen, man sieht ja nicht jeden Tag sowas im Internet! Es hat mich sehr gefreut, dein Bericht zu lesen und die Bilder anzuschauen, ich danke dir dafür vielmals! Es war wie ein Geschänk für mich. Schöne Grüsse aus Liverpool,
    Olga

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  4. Hallo Olga!
    Ich finde es wirklich toll, dass ich mit meinem Blog sogar Menschen beglücken kann, die ich gar nicht kenne!
    Nun ist es ja schon wieder fast 2 Jahre her, als ich in Ufa studiert habe, trotzdem wird es mir immer in Erinnerung bleiben und ich bin froh, dass ich das gemacht habe! Ich studiere Russisch und Englisch in Halle/Saale und die Zeit in Ufa hat mir sehr geholfen, mein Russisch zu verbessern und unvergessliche Eindrücke vom Land und den Menschen zu gewinnen! Ich war in der Philosophietcheskoj Fakultät im Hauptgebäude zum Studieren, habe aber einige Male die Fakultät auf der Kommunistitcheskaja besucht und bei der Woche der deutschen Sprache mitgewirkt usw.

    Dass jemand wie du meinen Blog liest und sich daran erfreut, ist für mich auch ein kleines Geschenk! Schön, wenn ich damit ein paar Erinnerungen wachrufen konnte!
    Ich wünsche dir alles Gute!

    Liebe Grüße!
    Maren

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