Dienstag, 16. März 2010

Der lang ersehnte Spaziergang!

Heute wollte ich eigentlich anfangen, meinen Praktikumsbericht endlich zu schreiben, denn ich habe ja Dienstags frei. Aber als ich heute morgen aufgestanden bin, habe ich mich beim Anblick von strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel spontan dazu entschieden, meinen schon lange geplanten Spaziergang zu machen. Ich habe nur den Schlüssel, das Handy, die Kamera, 200 Rubel für irgendwelche Notfälle und drei Schnittchen, falls ich sonstwo in der russischen Taiga lande, mitgenommen und dann bin ich gegen 12 Uhr mittags losgegangen. Dass ich damit den Sprung aus der Konformität hinein in die Individualität gewagt hatte, wurde mir bereits innerhalb der ersten 15 Minuten meiner Wanderung bewusst! Ich glaube, auf meiner Stirn steht ganz groß geschrieben: "Ich bin anders. Bitte glotzen Sie mich an, so lange es nur geht!" Ein blondes Mädchen in Ufa (hier sind fast alle dunkelhaarig), ohne glitzernde Handtasche (die brauch man ja beim Spazierengehen nicht wirklich), mit rosa Brille (hier tragen alle Kontaktlinsen, oder sie quälen sich einfach ohne Sehhilfe durchs Leben), ohne sexy Stöckelschuhe (die kanadischen Winterstiefel haben mich bisher noch kein einziges Mal enttäuscht, in der Kälte), mit Kamera umgehängt (Touristen gibt's hier sowieso nicht. Manche Russen hier haben noch nie in ihrem Leben einen Ausländer gesehen), Nase putzend (das Thema haben wir schon durch...), mit staunendem Lächeln in der Gegend rumglotzend ("Wo kommt die denn her? Von hinterm Mond?"), und das allerschärfste: an allen Bushaltestellen vorbeilaufend, ohne irgendwo einzusteigen (Ich übersetze: zu Fuß!)!!!!! Das kann kein normales russisches Mädchen sein! Und genauso wurde ich auch angeschaut! Egal, ich kann mich ja nun nicht völlig verändern. Ich schminke mich immerhin schon mehr als je zuvor und fange langsam an, wie die russischen Frauen in ganz kleinen Schritten zu tippeln, wenn ich auf einem vereisten Fußweg laufe. Aber meine Brille werde ich bestimmt nicht absetzen und die Haare bleiben auch blond! :-)
Ich genoss also weiterhin trotz der vielen Blicke meinen Spaziergang und schlenderte die Uliza Sofi Perovskoi und weiter geradeaus die Sochinskaya Uliza hinunter bis zum Monument der Freundschaft. Von dieser langen Straße im Süden Ufas führen ganz viele kleine Nebenstraßen (oder sagen wir mal lieber: Sackgassen) nach rechts und links weg. Ich beging den großen Fehler, in eine dieser Nebenstraßen hineinzuwandern, um ein paar der niedlichen bunten russischen Häuschen zu fotografieren.



Das habe ich dann auch getan, habe aber dabei extra versucht, unauffällig zu bleiben, falls jemand aus dem Fenster schaut.Und dreimal dürft ihr raten, was dann passierte: Prompt stand eine alte Oma auf der Straße vor ihrer Haustür und beobachtete mich mit einem solch stechenden Blick, dass ich schnell weiter ging. Da war die Sonne gleich weg und der Himmel trübe, wie ihr auf den Fotos sehen könnt. Interessant fand ich es trotzdem und ging deshalb weiter in die Straße hinein, in der Hoffnung, dass sie mich am Ende auf eine andere Hauptstraße führen würde. Auf dem Weg begegnete mir noch diese räudige Katze, noch eine andere ältere Frau, die mich komisch anschaute und zwei Alarm bellende Hunde, von denen mich einer wahrscheinlich ins Bein gebissen hätte, wäre ich nicht wieder umgedreht. Als ich fast wieder am Anfang der Sackgasse war, standen dort zwei Frauen auf der Straße, eine davon die, die mir entgegengelaufen war. Sie sagte: "Warum kommen Sie denn so schnell schon zurück? Was wollen Sie  überhaupt hier?" Ich tat so, als verstünde ich sie nicht und machte, dass ich schleunigst da wieder heraus kam. Ich sehe die Schlagzeile vor meinem inneren Auge: 
"Deutsche Blondine mit Fotoapparat von räudiger Katze, zwei aggressiven Wachhunden und drei Babuschkas aus russischer Sackgasse vertrieben!"
Als ich wieder auf der Hauptstraße lief, war ich heilfroh und plötzlich schien auch die Sonne wieder. Aber ich bin ja sozusagen auch in ihre Privatsphäre eingedrungen, das muss ich nun mal zugeben! 

Zwischen unserem Stadtteil und dem Stadtzentrum befindet sich die Bushaltestelle "Монумент Дружбы", von der ich erzählt habe und dort steht auch das gleichnamige "Monument der Freundschaft", ein Symbol der Freundschaft zwischen Russen und Baschkiren, erbaut 1965: 
Steigt man die Treppen dort hinauf, hat man eine tolle Aussicht über den Fluss "Belaya", die große Brücke darüber und unseren Stadtteil  "Kirovsky". 
Dazu ein paar Eindrücke:
Ich bin dann nach unten zum Fluss gelaufen und dort am Ufer entlang, was mir super viel Spaß gemacht hat! Diesen Weg sind wir auch an unserem ersten Tag in Ufa im Sommer während des Austausches gelaufen (Wisst ihr noch, ihr Austauschler? Der Weg zu unserem Begrüßungsabend!) Es sieht natürlich, mit Schnee bedeckt, traumhaft aus und ich habe es aus einer völlig neuen Perspektive gesehen! Der Fluss sieht im Moment nicht aus wie ein Fluss, nur wie ein zugeschneites Tal!
Cool, oder?  
Hier rechts geht's hinauf zur Brücke der Liebe (die mit den vielen Schlössern)!
Und das hier links konnte ich nicht genau deuten: Ich glaube, es soll Eisangeln sein! Sah jedenfalls witzig aus, der kleine Mann dort alleine auf dem großen Fluss! Ich hab mich nicht aufs Eis getraut. Dafür waren mir die Temperaturen zu frühlingshaft. Und dann hätten auch die 200 Rubel und die drei Schnittchen nichts mehr geholfen...
Das habe ich für euch Daheimgebliebenen in den Schnee gemalt!!!!!! Und wehe, ihr freut euch nicht darüber!
 
 
 
 
 
 
 Erkennst du das, Stefan???? :-)  
 
Und hier noch ein paar Bilderchen:    
Salavat Julaev mal aus einer anderen Perspektive!

 
 
Glauben die Bewohner dieses Hauses etwa, dass die Post noch von Brieftauben gebracht wird? :-)
Ich bin dann wieder langsam umgekehrt und da geschah der Höhepunkt meines Ausfluges, der dem ganzen Szenario, dass man doch nicht einfach soweit laufen kann, sondern lieber in den Bus steigt, noch die Krone aufsetzte: Ein junger Mann kam mit seinem Auto an mir vorbei gefahren, auf dieser sehr verlassenen einspurigen Straße neben dem Fluss, hielt an, und fragte mich: "Wohin willst du denn? Komm, setz dich ins Auto. Ich fahr dich!" Da habe ich gleich ganz aufgeregt dankend abgelehnt und gesagt, dass ich spazieren gehe! Hallelujah! Sah ich wirklich so orientierungslos aus? Es mag ja nett gemeint gewesen sein, aber so ganz ohne männliche russische Hintergedanken war das sicher nicht! Also, gut reagiert! Puuuh!
 
Als ich wieder zurück zum Monument der Freundschaft kehrte, habe ich dann noch meinen neuen Lieblings-Richtungsweiser gefunden:
Ein Ausdruck dafür, dass die Entfernungen nach Moskau, Samara und Chelyabinsk, in der Relation gesehen, so ungefähr unseren Vorstellungen von der Entfernung zwischen Halle und Leipzig, Dresden und Berlin entsprechen .... oder so...! :-)
 
Hier noch mal ein ganz lustiges buntes Häuschen mitten im Stadtwirrwarr von Ufa.
Und überhaupt finde ich es sehr interessant, dass hier kleine Einfamilienhäuser aus Holz direkt neben großen Plattenbauten stehen. Das habe ich noch an keinem anderen Ort gesehen, nur hier in Ufa. Hat irgendwas!

Ich war um halb 5 wieder zu hause und es hat sich wirklich gelohnt! Insgesamt bin ich ca. 15 km gelaufen und habe davon nichts gemerkt!

3 Kommentare:

  1. Hallo Maren!

    Na das war doch mal ein erlebnisreicher Spaziergang :)! ... und wie immer ein Bericht, den man mit großer Freude liest, weil es an so vielen Stellen etwas zum Lachen und/oder Staunen gibt ;).
    Weiterhin alles Gute für dich und lass dich von den Katzen, Hunden und Babuschkas nicht unterkriegen :)!

    Liebe Grüße,
    Isa (N.)

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  2. Hallo Maren!Das war ja mal wieder ein toller Bericht.Solche bösen Blicke hatten wir auch schon mal auf uns gerichtet,als wir in der Dom.Rep.waren.Da bekommt man ganz schön mit der Angst zu tun.Wir sind nur damals(zu siebent)in einen offnen Kofferraum von einem Taxifahrer gesprungen und haben dann drei Kreuze gemacht,als wir im Hotel waren.DA HATTEN WIR EIN BISSCHEN ANGST UM UNSER LEBEN.Man sollte eben immer vorsichtig sein.Ansonnsten hast du aber sehr schöne Bilder gemacht und interessant war es auch.Danke,für die lieben Grüße.Bis bald

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  3. Hallo Schatz!
    Echt krasse und lustige Geschichte. Wenn du nicht geschrieben hättest,dass wir dort schon waren hätte ich es NIE!!!! wieder erkannt!
    Das sieht alles so anders aus... und noch weniger kann ich mir gerade den Schnee vorstellen! Hier sind gerade um 23:00Uhr immernoch weit über 25°C...
    Danke für die etwas anderen Eindrücke von UFA°

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